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03.04.

Franzobel: "Das Floß der Medusa"
im Gespräch mit Michael Kerbler

03.04. Franzobel: “Das Floß der Medusa”
im Gespräch mit Michael Kerbler

Diejenigen, die der Tod verschont hatte, stürzten sich gierig auf die Toten, schnitten sie in Stücke, und einige verzehrten sie sogleich. Ein großer Teil von uns lehnte es ab, diese entsetzliche Nahrung zu berühren. Aber schließlich gaben wir einem Bedürfnis nach, das stärker war als jegliche Menschlichkeit.

Henri Savigny, Überlebender der Medusa

18. Juli 1816: Vor der Westküste von Afrika entdeckt der Kapitän der Argus ein etwa sieben mal zwanzig Meter großes Floß. Was er darauf sieht, lässt ihm das Blut in den Adern gefrieren: hohle Augen, ausgedörrte Lippen, Haare, starr vor Salz, verbrannte Haut voller Wunden und Blasen … Die ausgemergelten, nackten Gestalten sind die letzten 15 von ursprünglich 147 Menschen, die nach dem Untergang der Fregatte Medusa zwei Wochen auf offener See überlebt haben. Da es in den Rettungsbooten zu wenige Plätze gab, wurden sie einfach ausgesetzt. Diese historisch belegte Geschichte bildet die Folie für Franzobels epochalen Roman, der in den Kern des Menschlichen zielt. Wie hoch ist der Preis des Überlebens?

Am Beginn des umfangreichen schriftstellerischen Schaffens von Franzobel, der eigentlich Franz Stefan Griebl heißt, standen Gedichte im Stil von H. C. Artmann und Ernst Jandl. 1995 erhielt er für seine experimentelle Erzählung “Die Krautflut” den Ingeborg-Bachmann-Preis. Zuletzt machte er durch die Krimis “Wiener Wunder” und “Groschens Grab” von sich reden. Nun publiziert er einen fulminanten Roman, der weitgehend auf Tatsachen beruht: “Das Floß der Medusa”.

In der höchsten Not ist nicht, wie Alexander Kluge einmal formuliert hat, der Mittelweg der Tod, sondern die blanke Rücksichtslosigkeit und das Fehlen jeder Moral. Der Roman wirft essentielle Fragen des Menschseins auf: Wie viel ist man in Kauf zu nehmen bereit, physisch, aber auch moralisch, um die eigene Haut zu retten? Und: Können wir nicht alle in Situationen gelangen, in denen wir zu Kannibalen werden?

Der Veranstaltungsort: Pfarrsaal
Bahnhofstraße 1
5700 Zell am See

Beginn: 19.30 Uhr. Eintritt: frei. Reservierung erforderlich!

Präsentiert von Kultur Raum Zell in Kooperation mit Buchhandlung Ellmauer.