Das Festspiel-Symposium beleuchtet zum 100. Geburtstag an drei Vormittagen die erstaunliche Aktualität des Gründungsstücks der Salzburger Festspiele im 21. Jahrhundert. Seit 1920 steht Hugo von Hofmannsthals Jedermann – mit nur zweimaliger Unterbrechung in den Jahren 1922 bis 1925 und 1938 bis 1945 – alljährlich auf dem Programm.
Was macht die ungebrochene Attraktivität dieses einer jahrhundertealten mittelalterlichen Moralität nachempfundenen Stücks aus? Wie gelingt es dem Dichter trotz altertümelnder Sprache die Probleme von heute drastisch vor Augen zu führen – die Gier, den Geiz, den Machtmissbrauch, den Mangel an Nächstenliebe, an Respekt für die anderen? Weshalb verlassen selbst Menschen, die längst die Frage nach dem „richtigen Leben“ aus ihren Gedanken gestrichen haben, betroffen, ja getroffen diesen Theaterabend?
„Das Festspielsymposium ist alljährlich ein besonderes Geschenk an die Mitglieder des Vereins der Freunde der Salzburger Festspiele, die uns mit ihren Spenden und mit ihrem Enthusiasmus auch durch schwierige Zeiten tragen. Und ich bin sicher, dass es uns auch heuer wieder gelungen ist durch die Auswahl der Referenten für eine spannende Debatte zu sorgen“, so Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler.
„Warum der Jedermann seit einhundert Jahren in Salzburg aufgeführt wird? Weil er die unangenehme, aber existentiell wichtige Frage der moralischen Rechtfertigung unseres Lebens an uns richtet. Hofmannsthal will, dass wir innehalten und Rechenschaft legen. Jetzt. Und nicht am Ende unserer Tage. Ein Gedanke, der angesichts der Corona-Pandemie aktuell an Bedeutung gewinnt. Mammon, Tod und Liebe sind drei Schlüsselbegriffe im Jedermann, die uns Orientierung bieten. Wie wollen wir die limitierten Ressourcen dieser Welt gerecht (um)verteilen und die Gier nach immer mehr bekämpfen? Wie kommen wir vom Haben ins Sein? Wem die Frage nach einem würdevollen Sterben ein Anliegen ist, der muss sich auch die Frage stellen, wie ein würdevolles Leben gelingen kann. Nächstenliebe oder Solidarität sind dazu unverzichtbar. Die Zeitenwende verlangt eine Haltungsänderung: vom Ich zum Wir, vom überbewerteten Individualismus müssen wir zu mehr gemeinschaftlichem Denken und Handeln gelangen. Denn die vor uns liegenden Probleme – Klimaerwärmung, Verteilungsgerechtigkeit, Ressourcenknappheit – können nur in einer gemeinschaftlichen Anstrengung global gelöst werden“, sagt Michael Kerbler, der alle drei Veranstaltungen moderiert.
Symposium. Teil 1. Der Mammon
„Immer mehr“ ist ganz offensichtlich zum einzigen Sinn in Jedermanns Luxusleben geworden. Immer mehr Geld, immer mehr Macht, immer mehr Lust. Ohne das geringste schlechte Gewissen lässt er die anderen jene Überlegenheit spüren, die ihm das Geld vermeintlich verleiht. Er prahlt mit seinem Reichtum. Er straft die Armen mit seinem Geiz. Er verweigert dem Schuldner die Barmherzigkeit. Verschwendung als Lebensmotto.
Getrieben ist er von seiner unersättlichen Gier. Woher kommt diese Gier nach gesellschaftlicher Anerkennung und weltlichem Besitz? Ist Gier eine Todsünde? Oder ist Gier der Motor unseres derzeitigen Wirtschaftsmodells? Ist die Gier gar eine genetische Anlage in uns allen? Oder gibt es individuelle und gesellschaftliche Parameter, die zu ändern jedem humanistisch denkenden Menschen ein Anliegen sein müsste? Auch jenseits der christlichen Moralvorstellungen tritt die Gier gerade in unserer Zeit stark als soziokulturelles Phänomen zu Tage.
Die Gäste des ersten Teils des diesjährigen Symposiums:
- Andreas Treichl (Bankier – ERSTE BANK, Aufsichtsrats-Vorsitzender)
- Christian Neuhäuser (Philosoph, Politikwissenschaftler und Autor von „Wie reich darf man sein? Über Gier, Neid und Gerechtigkeit“)
- Lisz Hirn (Philosophin, Autorin und Dozentin)
Ort: Große Universitätsaula, Max-Reinhardt-Platz (Zugang über Furtwänglerpark)
Tag: 06. August 2020 um 10:00 Uhr
Anmeldung erforderlich: Festspielfreunde