Die europäischen Städte befinden sich im Wandel. Das Tempo dieses Wandlungsprozesses hat sich allerdings seit der Jahrtausendwende deutlich beschleunigt. In vielen Aspekten werden die Städte heute zu dem, was Jane Jacobs, die in den USA geborene kanadische Stadt- und Architekturkritikerin in ihrem berühmtesten Werk „The Death and Life of Great American Cities“ (Tod und Leben großer amerikanischer Städte) 1961 als neue Zielsetzung formuliert hat: Schluss mit der Entmischung von Städten, Schluss mit der Trennung von Leben, Wohnen und Arbeit. Dies hielt Jacobs für das Ende der Urbanität. Sie plädierte dafür, die Städte natürlich wachsen zu lassen.
Mit einiger Zeitverzögerung hat Europa mit der Entmischung der Funktionen zu beginnen. Der Landschaftsverbrauch durch den Siedlungsbau am Stadtrand hatte riesige Ausmaße angenommen. Für die Verkehrswege von den Schlafstädten in den Speckgürteln zur Arbeit, zum Einkaufen oder in die Schule wurde noch mehr Natur versiegelt. Der Individualverkehr deformierte die Stadt zur autogerechten Stadt. Fußgänger waren Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse. Dem Bedürfnis nach Begegnung, das dem Menschen als soziales Wesen eigen ist, wurde mit diesem Modell nicht entsprochen.
Seit gut einem Jahrzehnt gibt es eine erkennbare Gegenbewegung, die in mehreren europäischen Städten aktiv wurde: immer mehr Menschen wollten wieder in die Stadt ziehen. Allerdings: in eine menschengerechte Stadt. In eine ökologisch nachhaltige Stadt. In eine sozial nachhaltige Stadt.
Michael Kerbler hat mit Uni. Prof. Dr. Martina Löw, die intensiv über die Soziologie der Städte gearbeitet hat und an der TU Berlin Architektur- und Planungssoziologie lehrt, über die nötigen Voraussetzungen debattiert, die gegeben sein müssen, damit die Stadt der Zukunft nicht nur ein Ort des Sich-Wohlfühlens ist, sondern auch sozialen Sinn herstellt und damit soziale Stabilität sichert.
Radio Agora: Die Zukunft der Stadt am 15.11.2015 um 18 Uhr