Die Zukunft der Stadt – die Stadt der Zukunft
Die Zukunft der Menschheit liegt in den Städten. Im Jahre 2050 werden mehr als drei Viertel der Weltbevölkerung in Metropolen leben. Dieser Trend wird auch vor den europäischen Metropolen nicht Halt machen. Die Dimensionen der vor uns liegenden urbanen Entwicklung sind überwältigend: Städte verschmelzen und entwickeln sich zu Gebilden, in denen zwanzig bis dreißig Millionen Menschen leben werden.
Was werden die signifikantesten Veränderungen sein? Wird die vertikale Stadt wirklich die einzige Antwort der Stadtplanung sein, weil der Baugrund in der Stadt der Zukunft immer teurer und die Freiräume gleichzeitig als Orte der Begegnung wichtiger werden?
Die Stadt der Zukunft zu entwerfen bedeutet mehr als ein architektonisch gelungenes Gebäude zu konzipieren: wir leben nicht nur in einem Haus, wir leben auch dazwischen. Zahlreiche Studien belegen, dass der städtische öffentliche Raum an Attraktivität gewonnen hat: als Treffpunkt, als Ort der Freizeitgestaltung oder schlicht um zu betrachten und gesehen zu werden.
Nicht zuletzt deshalb kommt der Frage, wie viel an Baukultur in Europa erhalten werden kann, zentrale Bedeutung zu. In der Charta der Architekturbiennale Venedig 2008 ist nachzulesen: “Eine wichtige Grundlage für die effiziente und nachhaltige Nutzung von Ressourcen ist eine kompakte Siedlungsstruktur. Diese kann durch eine Stadt- und Regionalplanung, die eine Zersiedelung des städtischen Umlandes verhindert, erreicht werden. Hier muss engagiert dafür gesorgt werden, dass das Flächenangebot gesteuert wird und Spekulationen eingedämmt werden. Als besonders nachhaltig hat sich dabei das Konzept der Mischung von Wohnen, Arbeiten, Bildung, Versorgung und Freizeitgestaltung in den Quartieren erwiesen.”
Damit werden auch zwei Aspekte angesprochen, die es für die europäische Stadt des 21. Jahrhunderts zu lösen gilt: Wie muss eine ökologisch nachhaltige Stadt geplant und gestaltet werden, lautet die erste Frage. Wie muss eine sozial nachhaltige Stadt aussehen, lautet die mindestens ebenso wichtige zweite Frage. Und was können ArchitektenInnen, Stadt- und Verkehrsplanung dazu beitragen, beide Konzepte zusammenzuführen. Im Baukulturreport der Bundesregierung aus dem Jahr 2011 findet sich eine Passage, die besondere Beachtung verdient, wenn wir über die „Stadt der Zukunft bzw. die Zukunft der Stadt“ debattieren. Dort heißt es: „Der Sinn des Bauens ist die Schaffung von Lebensraum und Entwicklungsmöglichkeit für die Menschen, daran muss sich letztendlich alles Bauen messen. Dieser Anspruch droht oftmals in der Fülle rechtlicher, technischer, wirtschaftlicher und kultureller Argumente unterzugehen.“
Wie tiefgreifend müssen Bauvorschriften und Normen reduziert bzw. vereinheitlicht werden, um der Kreativität der Stadtplanung und Architektur jene Gestaltungsoptionen zu eröffnen, um die Stadt der Zukunft tatsächlich menschengerecht entwerfen zu können? Damit die Menschen, die in diesen Städten wohnen und arbeiten werden, einen Lebensraum vorfinden, der das Prädikat „human“ verdient.
Letztlich wird für die Städte – insbesondere die europäischen Städte – entscheidend sein, ob es der Politik gelingt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die der Stadtentwicklung abverlangt, auf die Identität der Stadt Rücksicht zu nehmen, also das Unverwechselbare zu bewahren. Allen an der „Stadtwerdung“ Beteiligten ist die Einsicht in die Notwendigkeit zu vermitteln, mit dem Entworfenen Identität zu stiften, d.h. sich mit dem Kontext auseinanderzusetzen, um das „Wesen des Ortes“ zu stärken.
Die Stadt der Zukunft wird nicht mit dem Reißbrett zu bändigen sein, sondern prozesshaft in einem Verfahren, zu dem BürgerInnen eingeladen, ja aufgefordert sein werden. Begleitet von einem Architektenteam, betreut von Stadtverwaltung und Bezirksvertretung, sind die BürgerInnen in einem kooperativen Verfahren eingebunden, um über die Veränderungen ihrer Lebenssituation – ob es um Stadt- oder Verkehrsplanung geht – mitzubestimmen. Diese kooperative Stadtplanung wird die regulative Politik erweitern. Stadtplanung wird zu Stadtmanagement.
Es gilt den BürgerInnen zu vermitteln, dass es keinen Anspruch auf eine lebenswerte, zukünftige Stadt gibt, sondern die Verantwortung die Stadt der Zukunft mitzugestalten.
Bleibt daran zu erinnern, was Enrique Peñalosa, kolumbianischer Volkswirtschaftler und einst Bürgermeister von Bogota grundsätzlich über das Wesen einer Stadt formuliert hat: “Ob eine Stadt zivilisiert ist, hängt nicht von der Zahl ihrer Autobahnen und Schnellstraßen ab, sondern davon, ob ein Kind auf dem Dreirad unbeschwert und sicher überall hinkommt.“
Die Architektur-Gesprächsreihe “Die Stadt der Zukunft – Zukunft der Stadt” entsteht im Auftrag der Stadt Wien/MA 18.
www.wien.gv.at/stadtentwicklung/veranstaltungen/vortraege/2014/stadt-der-zukunft >>