Die aktuelle Debatte um „die Werte“, über Wertordnungen, den so genannten „Wertewandel“ verstellt häufig den Blick darauf, dass der Wertebegriff selbst in jenen Dokumenten, Büchern und Überlieferungen, auf die oft Bezug genommen wird, gar nicht vorkommt. Weder in den Urkunden der griechisch-römischen, noch der jüdisch-christlichen Kultur findet sich der Begriff „Wert“ als solcher. Er steht nicht in der Bibel und findet sich auch nicht als Orientierungshilfe in jenen Texten zur Ethik, die reich an Beschreibungen über die Voraussetzungen eines guten Lebens sind – also in denen etwa Tugenden und Pflichten festgeschrieben sind, die es zu leben gilt. Hervorzuheben ist, dass der „Wert“ sich als Begriff in der aristotelischen Philosophie findet, aber nicht wie man vermuten könnte in den Abhandlungen über Ethik, sondern in jener über Politik im Abschnitt über die Ökonomie.
Der Wertbegriff ist also primär ein ökonomisch geprägter Begriff.
Der „Wert“ ist ein Maß für das Begehren eines (handelbaren) Gutes, das am (freien) Markt gehandelt wird. Der „Wert“ findet Ausdruck im Preis, der wiederum Auskunft gibt, wie gefragt dieses Gut ist. Die Debatte um den „Wertewandel“ ist eine Debatte um ein knappes Gut. Es geht darum, was uns fehlt. Und das als schmerzhaft abwesend empfunden wird.
Im Gespräch mit dem Philosophen Konrad Paul Liessmann, das im Salzburger Schloss Goldegg aufgezeichnet wurde, geht Michael Kerbler der Frage nach dem Wertewandel und verloren gegangenen Orientierungshilfen nach. Im Dialog soll gemeinsam ergründet werden, was uns fehlt und welche Werte Europa noch zusammenhalten.
Konrad P. Liessmann im “Zeit. Gespräch”
Wiederholung am
08.04.2016, 10:25
12.04.2016, 11:40
13.04.2016, 09:35